In einem bescheidenen Anfall persönlichen Größenwahns stellte ich mir heute die Frage: “Was würde ich tun, wenn ich Weltherrscher wäre?”
Ich sah mich vor meinem geistigen Auge schon durch einen riesigen Marmorpalast stolzieren, gefolgt von einer treu ergebenen Dienerschar, die nur darauf lauerte, mir jeden nur erdenklichen Wunsch umgehend zu erfüllen. Nach einer kurzen Denkpause fiel erst einmal der Palast weg. So ein Ding wäre ja ganz schick, wenn man als Tourist etwas zum Besichtigen und Fotografieren bräuchte. Aber in so einem Riesenbunker wohnen? Ich habe zwar einen minimalen Hang zur Klaustrophobie und bin für jeden Kubikmeter Freiraum dankbar, den man mir lässt, aber eine solche Hütte wäre wirklich zu viel des Guten.
Der nächste zu streichende Punkt wäre die treu ergebene Dienerschar. Mir würde dieses ständige Gewusel um mich herum tierisch auf den Sack gehen. Als bekennender Misanthrop hätte ich ein echtes Problem damit, wenn mir permanent eine mehr oder minder große Menschentraube am Hacken kleben würde. Und es wären ja nicht nur Diener, die wie die Kletten an mir hängen würden. Mehrere Beraterstäbe, PR-Leute, Biographen, Groupies, Hofnarren, Bittsteller, Speichellecker und Arschkriecher würden mir wirklich den Spaß an der Freude nehmen. Ein besonderes Problem hätte ich wohl mit diesem Typen, der meinen Lorbeerkranz halten und mir ständig “Bedenke, dass du sterblich bist!” ins Ohr flüstern würde. Einerseits nervt mich Lorbeer ja schon, wenn ich ihn im Rotkohl finde, andererseits müsste mich dieser Memento-mori-Scherge sogar auf die Toilette begleiten. Wer möchte schon gern, auf einem goldenen Klo sitzend, dem Wahnsinn anheim fallen, nur weil man sich vor einem Untergebenen geniert?
Palast und Dienerschaft fallen also gleich weg. Das macht aber nichts, denn es gibt sowieso zwei Fragen, deren Beantwortung viel dringlicher wäre.
1. Wie würde ich die Weltherrschaft erlangen?
2. Was würde ich damit anfangen?
Wer nun eine blutige Machtergreifung erwartet, dürfte bitter enttäuscht werden. Die Geschichte hat in der Vergangenheit oft genug gezeigt, dass ein Regime, welches sich auf Terror und Gewalt stützt, früher oder später den Bach runtergeht. Außerdem bin ich nicht der Typ für so etwas. Zwar kann ich eigentlich niemanden so richtig leiden, aber das ist für mich noch lange kein Grund, Killerkommandos durch die Gegend zu schicken. Da ich auch nicht von Gottes Gnaden oder höhere Geburt zum Weltherrscher bestimmt wäre, käme übrigens auch kein vererbter Herrschaftsanspruch in Frage. Auch eine Bewerbung auf eine entsprechende Stellenausschreibung wäre nicht die optimale Lösung. Spätestens nach dem Vorstellungsgespräch müsste ich mit einer Absage rechnen, weil irgendein anderer Bewerber bessere Mathenoten im Abi hätte.
Eine demokratische Wahl wäre also die einzige Möglichkeit, mir die Welt untertan zu machen. Klar, keine Sau würde mich wählen, da ich als kleines Menschenkind, das ich nun mal bin, auf dem Erdenrund nur einen verschwindend geringen Bekanntheitsgrad habe. Ich würde jetzt mal mutig behaupten, dass mich allein von den unzähligen Chinesen auf dem Planeten kein einziger namentlich kennt. Das würde sich wahrscheinlich selbst in einem Weltwahlkampf nicht ändern, da ich mein Geld lieber in Schokolade als in Werbung stecke. Glücklicherweise handelt es sich hier ja um ein fiktives Szenario und wir gehen einfach mal davon aus, dass ich trotz der enormen Unwahrscheinlichkeit, einen Wahlsieg davontragen werde.
So, jetzt bin ich also Weltherrscher. Was nun?
Mit dem Ausschlafen am Sonntag ist es dann wahrscheinlich Essig. In einer solch verantwortungsvollen Position kann man von einer enormen Beschneidung der Freizeit ausgehen. Mal ganz ehrlich: Das würde mich extrem ankotzen. Da schaut man sich z.B. irgendein Video an oder sitzt mit Freunden in der Kneipe und dann klingelt dauernd das Handy, weil der Papst oder eine andere hochgestellte Persönlichkeit irgendetwas Wichtiges besprechen möchte. Das wirft dann sehr schnell einen ziemlichen Schatten auf den Abend. Machen wir uns nichts vor: Der Beruf des Weltherrschers ist ein 24-7-Job! Wenn irgendwo die Kacke am Dampfen ist, müssen persönliche Bedürfnisse ganz weit hinten anstehen. Die Bezahlung wäre mit Sicherheit dem Grad der Verantwortung angemessen, aber wann hätte man schon die Zeit, das nachgeworfene Geld auch nur zu einem Bruchteil zu verpulvern? Kaum geht man als Weltherrscher mal bei irgendeiner Online-Auktion auf Schnäppchenjagd, da trudeln auch schon die ersten Mails ins Postfach: “Chef, wir haben da ein kleines Problem….”
Abgesehen davon, dass mir dieser Job also viel zu stressig wäre, gehe ich einfach mal davon aus, dass die Sache noch einige andere Haken haben dürfte. Es gäbe etliche Neider, die ihre Ärsche gern selbst auf den Thron wuchten würden. Einige dieser Menschen würden – im Gegensatz zu mir – nicht einmal vor einem Mord zurückschrecken, um dieses Ziel zu erreichen. Ich sehe mich schon, Julius Caesar gleich, mit zahlreichen Stichwunden auf den Stufen eines Regierungsgebäudes zusammenklappen. Wie es in solchen Angelegenheiten meistens der Fall ist, sind die Mörder genau die Leute, zu denen man normalerweise immer einen ganz guten Draht hatte. “Auch du, mein Sohn…?” Gemessen an der Wichtigkeit des Postens, würde ich die Regierungszeit zwischen Amtseinführung und Ermordung auf drei bis sechs Stunden schätzen.
Sollte man, entgegen aller Erwartungen, den ersten Tag doch noch lebend überstehen, würde man spätestens mit seiner ersten wichtigen Entscheidung irgendeiner Wirtschaftslobby, Weltreligion, Berufsgruppe oder wem auch sonst, ganz gewaltig auf die Füße treten. Würde ich z.B. in meiner ersten Fernsehansprache “Freibier für alle!” versprechen, kann ich mit recht hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass eine militante Antialkoholikervereinigung bereits ihren ersten Attentäter ausschickt, um meinem Leben ein überraschendes und vor allen Dingen gewaltsames Ende zu bereiten. So ein Killer wäre doch, trotz aller Freude an der Macht, eine echte Spaßbremse. Selbst wenn ich offiziell den Weltfrieden ausrufen würde, würde das noch einigen Leuten enorm gegen den Strich gehen.
Ein weiterer Punkt, der mir die Macht ordentlich vermiesen würde, wäre die Boulevardpresse. Kaum lässt man mal einen Furz, steht es am nächsten Tag auch schon in der Zeitung. Sollte ich mit irgendeiner Prominenten zum Angeln gehen, kann man davon ausgehen, dass uns die Paparazzi schon irgendeine Affäre per Teleobjektiv nachweisen werden – selbst, wenn außer Angeln wirklich nichts weiter war.
Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch ganz kurz das Thema Inkompetenz ansprechen. Trotz aller Träumereien, muss ich der Menschheit gegenüber so ehrlich sein und zugeben, dass ich als Weltherrscher recht schnell überfordert wäre. Meine Kenntnisse in so wichtigen Dingen wie Diplomatie, Menschenführung, Gesetzgebung, Steuerrecht oder fernöstlicher Kampfkunst würde ich als rudimentär einschätzen. Es käme noch erschwerend hinzu, dass ich auch gar keine Lust hätte, mich in diese Themen einzuarbeiten. Bei Staatsbesuchen und -banketten würde man mich wahrscheinlich sehr schnell an den Katzentisch setzen, da ich den Knigge ebenfalls nicht verinnerlicht habe.
Steckt euch den Posten also an den Hut – Soll jemand anderes den Scheißjob machen. Ich bleibe lieber ein kleines Rädchen und knirsche böse vor mich hin, falls mir nicht gefällt, was in der großen Maschine abläuft. Wir werden ja schon sehen, wo die wahre Macht sitzt.
Abdankend….
Squalus