Als ich zwölf Jahre alt war, musste einer meiner Onkels für einige Tage als Babysitter für meinen kleinen Bruder und mich tätig werden. Zur allgemeinen Squalus-Belustigung war damals auch ein Kinobesuch angedacht – Den Film durfte ich aussuchen. Ich durchstöberte also das Programm im „Weser Kurier“ und wurde auch sehr schnell fündig: Stanley Kubricks „Shining“ war das obskure Objekt meiner Begierde. Selbstverständlich war diese Verfilmung des gleichnamigen Romans von Stephen King nicht für meine Altersgruppe geeignet, aber ich hatte einen scheinbar bombensicheren Ausweg aus diesem Dilemma entdeckt. In der Zeitungsanzeige hatte nämlich ein freundlicher Fehlerteufel zu meinen Gunsten zugeschlagen: Der Film wurde dort nämlich mit der Altersfreigabe „ab 12“ beworben.
Innerlich jauchzend und frohlockend schnitt ich die Anzeige aus und nötigte meinen Onkel quengelnd, mit mir nach Bremen zu fahren. Wir erreichten das Filmtheater in der Sögestraße gerade noch rechtzeitig, erwarben zwei Karten und wurden von einer Platzanweiserin eilig in den Kinosaal gelotst. Als der Hauptfilm nach der Werbung begann, kamen meinem Onkel und mir sehr schnell Zweifel, dass wir uns zur rechten Zeit am rechten Ort befanden. Ich erinnere mich noch an Musik, die nicht wirklich zu einem Horrorfilm passen wollte, und an Olivia Newton-John. Jawoll, wir waren in der zauberhaft bunten Welt von „Xanadu“ gelandet. Na, Prost-Mahlzeit!
Wir verließen also rasch die Vorstellung und mein Onkel begann an der Kasse mit der Reklamation. Er wurde ziemlich unfreundlich darauf hingewiesen, dass ich für „Shining“ viel zu jung sei und es daran nichts zu rütteln gäbe. Auch die Zeitungsanzeige, die ich in der irrigen Annahme, dass diese auf irgendeine Art und Weise rechtsverbindlich sein könnte, ausgeschnitten hatte, wurde als Beweismittel ohne Wert barsch zurückgewiesen. Wir mussten an diesem schwarzen Tag also wohl oder übel auf unseren Kinobesuch verzichten, das Geld wurde zurückerstattet und es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis ich (endlich volljährig) „Shining“ im Düsseldorfer Kellerkino „Souterrain“ zum ersten Mal legal ansehen durfte.
30 Jahre später: Das 24. Fantasy Filmfest gastiert in Stuttgart und ich bin dabei! Inzwischen komme ich ohne Ausweiskontrolle in jede Kinovorstellung und meine kleine bescheidene DVD-Sammlung beinhaltet etliche Filme, bei denen ich mir als Zwölfjähriger wahrscheinlich über die halbe Laufzeit die Augen zugehalten hätte. Das Leben als Erwachsener hat seine Vorteile, aber mit zunehmendem Alter lassen gewisse Gehirnfunktionen nun mal spürbar nach. Und genau dieser Umstand sorgte gestern dafür, dass ich mich in einer längst verdrängten Xanadu-Situation wiederfand.
Die Vorstellung der niederländischen schwarzen Komödie “The Last Days of Emma Blank“ sollte um 21:30 Uhr im Metropol 2 stattfinden, also brach ich nach dem Bloggen rechtzeitig meine Zelte in einem nahe gelegenen Kaffeehaus ab und schlappte Richtung Kino. Gegen 21:00 Uhr setzte ich mich dort in die Lobby, beschloss aber nach etwa fünf Minuten, mir einen guten Sitzplatz im Kinosaal zu sichern, da mir der Publikumsandrang erstaunlich stark vorkam. Ich hatte mich nicht geirrt, denn der Saal war gegen 21:05 Uhr schon gut besetzt. Ich fand einen angenehmen Platz in einer der letzten Reihen und wartete etwa drei gefühlte Stunden auf den Vorstellungsbeginn. Von Zeit zu Zeit wunderte ich mich darüber, dass ein unbekannter niederländischer Film ein solch großes Interesse beim Festivalpublikum hervorrufen konnte.
Irgendwann wurden Spotlights eingeschaltet, ein junger Mann trat mit einem Mikrofon bewaffnet vor die Leinwand und begann mit einer Ansprache. Nichts Ungewöhnliches beim FFF. Was mich allerdings nervös machte, war die Tatsache, dass er sehr ausführlich über den Film „Hatchet„, das dazugehörige Sequel („Hatchet 2„) und den Regisseur der beiden Filme (Adam Green) sprach, der kurz darauf höchstpersönlich zum Mikrofon griff und einige Anekdötchen zum Besten gab. Mein Herz pochte ein wenig schneller und in meinem Kopf sang Olivia Newton-John immer und immer wieder: „Xaaa-na-dooo“. Jawoll, ich saß wieder einmal in der falschen Vorstellung!
Der Veranstalter hatte wohl kurzfristig die Säle der beiden Vorstellungen getauscht und ich habe es schlicht und ergreifend nicht gemerkt. Mir sind keinerlei Aushänge im Kino aufgefallen und der Kartenabreisser vor dem Kino 2 hat meine, zu diesem Zeitpunkt „falsche“, Karte anstandslos angenommen. Wie einst „The Clash“ stand ich also nun vor der Frage „Should I stay or should I go?“. Ich entschied mich notgedungen für die erste Option, denn einerseits wäre mir ein spontaner Aufbruch vor all den Leuten ziemlich peinlich gewesen und andererseits hätte ich wahrscheinlich den Anfang von „The Last Days of Emma Blank“ verpasst. Es war bereits weit nach 21:30 Uhr – Ich blieb sitzen und harrte etwas unwillig der Dinge, die da nun kommen mochten.
Obwohl ich bisher viel geschrieben habe, will ich mich in meiner Kritik zu „Hatchet 2“ sehr kurz fassen, denn ich habe diesen Film eher unfreiwillig und ohne großes Interesse angeschaut. Geboten wurde ein amüsanter Slasher mit ordentlichen Splatter-Effekten. Kein großes Kino – gewiss nicht – aber zumindest so unterhaltsam, dass ich mich nicht gelangweilt habe. In den letzten 25 Jahren habe ich mir aber so viele Streifen dieses Genres angeschaut, dass ich diesem nicht mehr allzuviel abgewinnen kann: „Kennst du einen, kennst du alle!“
Es bleibt zu hoffen, dass dies mein letzter Ausflug nach Xanadu war.
(5 von 10 Punkten)
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*TränenausdenAugenwisch* Ich bin noch rumgehirscht und wollte Dir die Änderung kundtun, aber ich habe Dich nirgends gesehen. In Zukunft werde ich Dir eventuell anstehende Änderungen per SMS weitergeben 😉 Und was hast Du eigentlich gegen Xanadu *sfg*
Kommentar von Billie
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