Alles für die Katz’
Montag, 11. April 2011, 18:13 Uhr
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Katzen habe ich schon immer gemocht. Mein erster Dachhase ist mir im niedersächsischen Katstrophenwinter 1978/79 zugelaufen – schwarz mit weißem Lätzchen, halb erfroren, ausgehungert und krank. Natürlich wollte ich das Tier unbedingt behalten, allerdings machten meine Eltern das davon abhängig, ob sich die Katze mit unserem Hund, einem ziemlich unberechenbaren Pudelmischling, vertragen würde. Am ersten Abend erlebten wir in unserer Wohnung Jagdszenen à la “Tom & Jerry”, aber irgendwie rauften sich die beiden doch noch zusammen und ich durfte das Findelkind behalten. Fortan horchte der Kater auf den etwas einfallslosen Namen Blacky.

Blacky

Als es mich zum Wintersemester 1990/91 ins schöne Tübingen zog, blieb Blacky bei meinen Eltern zurück und ich war für kurze Zeit katzenlos. Vor den Fenstern meiner Studentenbude stand ein Baugerüst, das von einer Katze aus der Nachbarschaft intensiv als Zugang zu meiner Wohnung genutzt wurde. Während sich andere Leute vielleicht über einen solch ungebetenen Gast eher geärgert hätten, fand ich diese spontanen Besuche immer sehr schön. Es dauerte nicht lange und in mir reifte der Plan, mir wieder eine Katze zuzulegen. Ich besuchte also das Tübinger Tierheim und entschied mich dort recht schnell für einen Kater namens Fetz, aber es kam dann doch anders. Als ich nämlich nierderkniete, um die Katzen, die um mich herumstolzierten, zu streicheln, kletterte plötzlich ein brauner Tiger auf mir herum und schnurrte, was das Zeug hielt. “Du bist nicht hier, um dir eine Katze auszusuchen, sondern dich hat soeben eine Katze ausgesucht”, dachte ich so bei mir und entschied mich spontan, Kiery, so der Name der Schmusekatze, mitzunehmen.

Kiery
Kiery kam ursprünglich aus Ulm und wurde nach einem Umzug ihres ehemaligen Halters im Tierheim abgegeben, da er das Tier in seiner neuen Wohnung nicht mehr halten konnte. Sie war unheimlich verschmmust und auf Menschen fixiert und konnte mit einigen Eigenheiten aufwarten. Andere Katzen hasste sie wie die Pest! Sah sie eine Artgenossin vor dem Fenster, rastete sie schier aus. Zwar konnte Kiery nicht miauen, sondern nur kläglich quietschen, aber Knurren, Fauchen und Speien funktionierten einwandfrei. Zwischenkatzliche Begegnungen ausserhalb der Wohnung verliefen oft blutig. Das Mädel war ein ziemlicher Raufbold.

Gesundheitlich hatte die Mietze ein paar kleinere Macken, die sie aber nicht daran hinderten, etwa 18 oder 19 Jahre alt zu werden. Neben einer Geschwulst an einem Gesäuge hatte sie ihr Leben lang sehr erschreckende Erstickungsanfälle, die wohl damit zusammenhingen, dass es ihr nicht gelang, Gewölle normal hochzuwürgen. So manches Mal dachte ich, dass nun ihr letztes Stündlein geschlagen hätte. Ausserdem kratzte sie sich manchmal so heftig, dass sie sich dabei selbst verletzte oder Wunden von einem vorangegangenen Kampf wieder aufriss. Fast täglich konnte ich verschorfte Fellreste vom Teppich klauben.

Fressen war auch noch ein Kapitel für sich. Kiery konnte volle Futternäpfe nicht handhaben. Sah sie einen solchen vor sich, fraß sie diesen ohne Pause komplett leer, was dazu führte, dass sie das Futter binnen kürzester Zeit wieder erbrach und erneut fraß. Diesem Verhalten konnte man nur entgegenwirken, indem man die Katze löffelweise mit halbstündigen Pausen fütterte. Das war allerdings nicht möglich, als sie als Freigänger auf die Jagd ging und uns nachts bis zu sechs Mäuse, zum Teil halb verdaut, vor die Balkontür legte. Vor der Arbeit durfte ich dann erst einmal Kadaver mit dem Kehrblech entsorgen. Das war oftmals nicht sehr appetitlich, denn aufgeschlitzte Mäuse verstömen keinen besonders angenehmen Duft.

Nach einigen Jahren katzenloser Zeit und reiflicher Überlegung haben Bille und ich uns nun vor ein paar Wochen dazu durchgerungen, eine Katze in die neu bezogene Wohnung zu holen. Also machten wir uns am vorletzten Samstag auf die Socken und besuchten das Tierheim in Stuttgart Botnang. Eigentlich wollten wir erst einmal die Lage sondieren und uns noch gar nicht auf ein bestimmtes Tier festlegen. Im Katzenhaus ließ Bille dann eine kleine Bombe platzen, da sie der zuständigen Pflegerin gegenüber verlauten ließ, dass wir auch ein Pärchen nehmen würden. Abgesprochen war das zwar nicht, aber grundsätzlich fand die Idee meine Zustimmung. Uns wurde ein wohnungstaugliches Paar (Mutter und Sohn) gezeigt, das sich uns gegenüber allerdings ziemlich scheu verhielt und sich nach einer kurzen Zeit in die hintersten Winkel des Raumes verdrückte. Ok, die beiden waren recht niedlich, aber vielleicht gab es ja noch Alternativen.

In einem anderen Raum gab es zwei weiße Tigerkatzen namens Tanja und Thea, die uns als Einzelgänger und reine Wohnungskatzen vorgestellt wurden. Sie stammten aus Heilbronn und waren Animal Hoarding Opfer – 27 Katzen in einer 30 m² Wohnung! Bille schaute sich Thea genauer an, während ich mich näher mit Tanja beschäftigte. Das führte dazu, dass bei der endgültigen Auswahl ein Patt entand, weil wir jeweils die Katze favorisierten, mit der wir uns intensiv beschäftigt hatten. Als wir die Pflegerin danach fragten, ob wir vielleicht beide Katzen nehmen könnten, bekamen wir die Antwort, dass das bei Einzelgängern nicht zu empfehlen sei und nicht gut gehen würde. Einen kleinen Wink mit dem Zaunpfahl bekamen wir durch den Hinweis, dass wir Tanja den größeren Gefallen tun würden, wenn wir sie aus dem Heim herausholten. Damit war die Sache ‘geschwätzt’: Tanja war die Katze unserer Wahl. Wir füllten also die sogenannte Selbstauskunft für das Tierheim aus und uns wurde die vorherige Kontrolle unserer Wohnverhältnisse durch den Tierschutzverein angekündigt. Noch am selben Nachmittag fanden wir uns im ‘Fressnapf‘ wieder und erstellten eine Wunschliste mit all den Dingen, mit denen wir unsere neue Mitbewohnerin beglücken wollten.
Matsuko (ehem. Tanja)
Am nächsten Tag saßen wir gerade beim Frühstück zusammen als mein Handy klingelte. Die Katzenpflegerin aus dem Tierheim war am anderen Ende der Leitung und druckste etwas verlegen herum, dass es ihr sehr leid täte, aber sie könne uns die Tanja leider nicht einzeln abgeben. Es hätte sich herausgestellt, dass sie wohl sehr eng mit einer anderen Katze aus dem o.g. Animal Hoarding Fall verbandelt sei und daher besser nicht allein vermittelt werden soll. Wir hätten aber immerhin die Möglichkeit, die am Vortag angesehene Thea einzeln zu bekommen. Nach kurzer Rücksprache beschlossen wir, Tanjas neue Freundin genauer unter die Lupe zu nehmen. Wir fuhren also noch einmal gemeinsam mit meiner Tochter nach Botnang und wurden Tabea vorgestellt; einer zierlichen, schwarzen Katze mit einem dezenten weißen Kragen. Friedlich lagen die beiden Freundinnen zusammen in einer Stahlbox und schienen sich tatsächlich hervorragend zu verstehen. Die Entscheidung fiel sehr schnell: Tanja (zu diesem Zeitpunkt bereits in Matsuko* umgetauft) und Tabea durften gemeinsam bei uns einziehen.
Matsuko (ehem. Tanja) und Tabea im Stuttgarter Tierheim
Natürlich waren Bille und ich sehr aufgeregt und voller Vorfreude. Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass mich Bille am Montag im Büro anrief und wir uns nach der Arbeit beim ‘Fressnapf’ verabredeten, um unseren Wunschzettel abzuhaken. So kam es, dass wir den Laden mit einem großen Kratzbaum, zwei Katzenklos mit Deckel, Katzenstreu, Näpfen, zwei Transportboxen, Futter, Siebschaufeln, Kuscheldecken, Kratzbrettern und einer Bürste verließen. Wie es der Zufall so wollte, erreichte mich die ‘Kontrolleurin’ des Tierschutzvereins genau zu dem Zeitpunkt, als ich beim ‘Fressnapf’ auf den Parkplatz fuhr. Wir verabredeten einen Termin für den nächsten Abend.

Am Dienstagabend bekamen wir dann unseren Kontrollbesuch von einer netten Dame, die mit dem, was sie sah, offensichtlich sehr zufrieden war. Wir besprachen noch kurz die eine oder andere Sache (z.B. die Absicherung des Balkons) und bekamen dann endgültig ‘grünes Licht’ für die Katzen. Natürlich fiel uns ein großer Stein vom Herzen, allerdings hatte ich keine Sekunde daran gezweifelt, dass es klappen würde. Als Abholtermin wurde der Donnerstag vereinbart.

Am späten Donnerstagnachmittag trafen Bille und ich uns nach der Arbeit in Botnang. Bille war mit dem Auto schon zeitig da, während ich mich mit dem Moped mit ach und krach durch den Stuttgarter Feierabendverkehr gequält hatte. Nach der Erledigung aller Formalitäten konnten wir endlich unsere Katzen im Empfang nehmen und fuhren im Konvoi nach Hause. Dort angekommen, verfrachteten wir die beiden Transportboxen ins Badezimmer, damit unsere beiden neuen Mitbewohnerinnen auf jeden Fall gleich von Anfang an lernten, wo sich “für kleine Königstiger” befindet.

Auf das Kommando “Lasst die Löwen los!” wurden die Boxen geöffnet und dann geschah erst einmal gar nichts. Natürlich waren die Tiere durch die Fahrt und die neue Umgebung enorm gestresst und scheu. Kein Wunder also, dass es einige Minuten dauerte bis sich Matsuko mit dicht an den Boden gepresstem Bauch dazu entschloss, ihre Kiste zu verlassen. Etwas später folgte dann Tabea in ähnlicher Körperhaltung. Jedes noch so kleine ungewohnte Geräusch wurde mit Flucht quittiert. Nach einer gewissen Zeit im Bad fand Matsuko dann den Weg unter das Bett im Schlafzimmer während sich Tabea hinter einem Putzeimer unter einem Lappen versteckte. An diesem Zustand sollte sich dann auch bis zum Einbruch der Nacht nicht mehr viel ändern.

Die Nacht von Donnerstag auf Freitag war dann … äh … spannend. Sobald sie uns schlafend wähnten, machten sich die beiden Stubentiger vorsichtig auf Achse und erkundeten die ihnen frei zugänglichen Räume der Wohnung (sowohl Billes als auch mein Zimmer sind ohne Aufsicht tabu). In der Dunkelheit gab es ein ziemliches Hin und Her und sobald auch nur irgendwo ein seltsames Geräusch ertönte, stürmten die Mädels wieder unter das Bett. Gegen 01:40 Uhr wurde das Katzenklo eingeweiht, was Bille und mich schlaftrunken aus dem Bett trieb. Besonders viel Schlaf bekamen wir Menschen in dieser Nacht jedenfalls nicht.

Am nächsten Morgen – Bille war bereits auf dem Weg zur Arbeit – stand ich völlig übernächtigt auf und zählte zur Sicherheit die Katzen nach. Matsuko war unter dem Bett: Eine Katze! Bei dieser Zahl blieb es in der nächsten halben Stunde auch, denn Tabea war verschwunden! Ich durchkämmte die Wohnung fünfmal ohne Erfolg bis ich irgendwann auf die Idee kam, Billes Bücherregale mit einer Taschenlampe zu durchleuchten. Siehe da: Tabea hatte sich hinter diversen Romanen von Wolfgang Hohlbein verschanzt und machte keine Anstalten, dieses Versteck auch wieder zu verlassen. Um die Situation ein wenig unter Kontrolle zu haben, reichte ich für diesen Tag sehr kurzfristig Urlaub ein, den ich Gott sei Dank auch genehmigt bekam. Nach ca. sechs bis acht Stunden verließ Tabea dann endlich ihre Festung und versteckte sich wieder unter dem Bett (Hurra! 8/).

Am Samstag taute dann Matsuko allmählich auf und ließ sich binnen 15-30 Sekunden zum Schmusen unter dem Bett hervorlocken. Mit weiteren 10-15 Minuten Zeit- und Lockaufwand ließ sie sich sogar bis zur Wohnzimmertür leiten, allerdings nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem irgendwo im Haus eine Tür ins Schloss fiel oder ein Rolladen bollerte. Dann war wieder das Bettversteck der sicherste Aufenthaltsort.
Matsuko (ehem. Tanja)
Bille und ich fuhren an diesem Tag zum “Kölle Zoo” in Stuttgart-Zuffenhausen, weil wir noch den Balkon absichern wollten. Ich hatte mich vorab im Internet informiert und eine Lösung mit Mauerklemmen, Teleskopstangen und einem Netz ausgespäht. Natürlich blieb es nicht dabei und wir packten noch einen speziellen geruchsfreien Mülleimer für Katzendreck (ähnlich einem Windeleimer) obendrauf. In den nächsten Stunden waren wir dann in der brütenden Sonne damit beschäftigt, unseren Balkon zu “vernetzen” (BTW eine Schei**-Arbeit). Am Abend durften die Katzen dann erstmals an die frische Luft, wobei sich zu unserer Verwunderung Tabea durch besonderen Mut hervortat. Diese Entwicklung setzte sich am Sonntag noch weiter fort: Die anfangs superscheue Tabea wurde immer zutraulicher und frecher, während sich Matsuko zeitweise noch sehr ängstlich verhält. Ich denke aber, dass es sich nur noch um eine Sache von ein paar Tagen handeln dürfte, bis sich die beiden richtig wohl bei uns fühlen. Dafür gibt es viele positive Zeichen: Die Mädels putzen sich intensiv, spielen, schmusen, fressen ordentlich und sind stubenrein.
Tabea

*der Name stammt aus dem japanischen Film “Memories of Matsuko“. Tanja konnten wir dem armen Tier wegen Tanja Gönner beim besten Willen nicht antun.


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